In Kempenich geht es an Karneval heftig zur Sache. Die Nähe zum Rheinland lässt sich nicht verleugnen. Jährlich gibt es eine Kindersitzung, eine Sitzung der GKKG und eine Möhnensitzung. Eine Besonderheit ist jedoch das einmalige Karnevalsgericht. Es findet nur alle zwei Jahre – abwechsend mit dem Karnevalszug – statt. Bereits am Rosenmontag 1929 tagte erstmals das legendäre „Fastelowendsgericht“, abgeleitet vom mittelalterlichen Kempenicher Gericht, das von den Narren auf ihre Art nachgestellt wurde. Schon damals gehörten Richter, Beisitzer, Rechtsanwälte und Gerichtsdiener zum närrischen Tribunal. 2015 übernahmen die „acht Voyeure“ die Tradition von den Daller Spatzen. Es steckt eine Menge Arbeit dahinter, die „Schandtaten“ und „Verbrechen“ im Ort zu sammeln, festzuhalten und dann so aufzubereiten, dass sie auch „gerichtsfest“ sind. Dass dies dem Narrengericht immer wieder gelingt, zeigt die regelmäßige Begeisterung der anwesenden Zuhörer, aber auch der Delinquenten.
Ablauf:
Morgens am Gerichtstag, wenn sich wohlsituierte Kempenicher Bürger noch schlaftrunken die Augen reiben, stehen die Stadtsoldaten mit vom Gericht ausgefülltem Haftbefehl vor der Tür und bringen die Angeklagten in Untersuchungshaft in eine hölzerne Gefängniszelle beim Narrengericht. In Deustesch Dieters kleinem Gerichtssälchen stehen sich schon frühzeitig zahllose Schaulustige die Beine in den Bauch, um mit dabei zu sein, wenn bekannte Dorfgrößen, aber auch auswärtige Honorationen vor dem Hohen Gericht erscheinen und zumeist in Büßermiene den närrischen Prozess über sich ergehen lassen müssen. Manchmal trifft es jedoch auch unerwartet einen der Zuschauer, der dann nicht mehr weit bis zur Gefängniszelle hat.
Früher wurden Landwirte wegen zu später Kartoffelernte oder wegen eines zu hohen Misthaufens verurteilt. Mit einer Strafe belegt wurde auch jener Bürger, der beim Versuch, einen Nagel in die Wand zu schlagen, die Wasserleitung getroffen hatte. Die Anklagepunkte haben sich Laufe der Zeit verändert. Heutzutage werden Hochstapler, Verkehrsrowdys, Glücksspieler und Paparazzi vor den Kadi geschleppt. Man kann auch wegen eines versteckten Gebisses, einbetonierter Schnapsflaschen, eines Aprilscherzes, fallengelassener Sätze oder unbeabsichtiger Unfälle vor dem Gericht landen. Früher richteten sich die Strafen danach, wie vermögend der Beschuldigte war. In einem Nachttopf werden die Strafgelder gesammelt.